Darstellendes Spiel als drittes künstlerisches Fach in der Oberstufe

Im Rahmen einer sich europaweit anbahnenden Bildungsreform wird es nicht nur zu einer Neudefinition der traditionellen Domäne von Schule, der Vermittlung einer "Wissenskultur", kommen. Hinzutreten wird die Aufgabe der Entwicklung einer "Befähigungskultur" (Brockmeyer 1998), die weniger durch die Lerninhalte, als durch die Art und Weise schulischen Lernens erworben wird. "Methodische Befähigungen, übergreifende Kompetenzen, Selbstgestaltungs- und Selbstorganisationsfähigkeit" lauten die anvisierten Ziele, die erfordern, dass der Unterricht   "Spielräume für Erfahrungen" lässt, dass Rahmenbedingungen für Lernen hergestellt werden, die das Gespräch über die Entwicklung von Ideen und Fragen, die Definition   von Zielen und das kooperative Arbeiten im Team zulassen und erfordern. Die Schule von heute steckt noch zu tief in einer „Welt der Belehrung“. Die Schule von morgen muss Neugier, Phantasie und Lernbereitschaft entwickeln.

Zunehmend wird in Fachkreisen die Bedeutung künstlerischer Fächer nicht mehr nur in der Ausbildung der Sinne, als ästhetische Stil- und Geschmackskunde, als Pädagogisierung von Kunsterfahrung gesehen. Auch kann laienhafte Nachahmung von professioneller Meisterschaft nicht das didaktische Prinzip sein.

Vielmehr geht es um die tätige Auseinandersetzung des Schülers mit sich selbst im Medium der Kunst .                                                 (H. Holzapfel, Hess. Kultusminister 1991 – 99)

Hierauf reagiert Darstellendes Spiel , indem spielerisch entfaltete Kreativität, bewusste körperliche Aktivität, sinnliches Erleben und verbindliches soziales Handeln in einer Gruppe nicht nur in jedem Fach mehr Gewicht, sondern ihren besonderen Bereich im Fach DS erhalten.

Theaterarbeit erfordert u.a. die Integration von Einzelleistungen zu einem gemeinschaftlich hergestellten Produkt und seiner öffentlichen Präsentation und damit "Evaluation". Neben dem Vorgang der Gestaltung einer individuellen Figur und ihrer Rolle in einem Bühnengeschehen ist für den DS-Unterricht der Prozess der gemeinsamen Erarbeitung eines theatralen Produkts wesentlich. In verschiedenen sozialen Rollen (als Schauspieler oder Mitglied des Bühnenteams, verantwortlich für dramaturgische Arbeiten, Regie, Bühnengestaltung, Licht etc.) müssen die Schüler einander zuarbeiten; die kreative Form der Auseinandersetzung um Texte im Hinblick auf Gestaltungsideen sowie die soziale Qualität der Zusammenarbeit bestimmen das Gelingen der eine Probenphase abschließenden Aufführung.

Der Gegenstand der Unterrichtsarbeit lässt sich in drei Inhaltsbereichen zusammenfassen:

1. Fähigkeiten und Fertigkeiten in den Grundformen schauspielerischer Darstellung

2. Grundkenntnisse über die Kunstform Theater und ihre Zeichensysteme

3. Einblicke in ausgewählte Segmente   von Theatertheorie und -geschichte

Aufgaben des Fachs Darstellendes Spiel sind

  • die ästhetische Auseinandersetzung mit literarischen Texten und Alltagserscheinungen aller Art
  • die Analyse von Texten, Kontexten, Situationen und Figuren im Hinblick auf ihre theatrale Qualität
  • die Vermittlung von Theater als eigenständiger Kunstform, die durch Rhythmus und visuelle Gestaltung die Nachbarkünste (Musik und   Bildende Kunst) mit Sprache und dramatischer Literatur verbindet

Was können Sie dabei für sich persönlich gewinnen ?

Sie können lernen

  • künstlerische Gestaltungsprozesse zu begreifen und die Zeichensysteme des Theaters durch eigenes Erproben zu lesen und zu gebrauchen
  • ihre sprachliche Ausdrucksfähigkeit sowohl im mündlichen als auch im schriftlichen Sprachgebrauch durch kunstnahe eigene Tätigkeit weiterzuentwickeln
  • mit Hilfe von schauspielerischen Improvisationstrainings Emotionen, Einstellungen, Absichten und Geltungsansprüche, die als Impulse hinter sprachlichen Äußerungen stehen, zu erspüren, zu erkennen und souverän damit umzugehen

Wenn ein Mensch einen anderen darzustellen sich bemüht und nicht nur den Schauspieler nachahmt, der diesen spielt, tut er einen ungeheuren Schritt zur Erweiterung und Vermenschlichung seiner selbst. Ja, ich behaupte darum, dass das Theaterspiel eines der machtvollsten Bildungsmittel ist, die wir haben: ein Mittel, die eigne Person zu überschreiten, ein Mittel der Erkundung von Menschen und Schicksalen und ein Mittel der Gestaltung der so gewonnenen Einsicht.   (...)

Ich traue mir die Einrichtung einer alle Bildungsansprüche befriedigenden Schule zu, in der es nur zwei Sparten von Tätigkeiten gibt: Theater und science. Es sind die beiden Grundformen, in denen   der Mensch sich die Welt aneignet: subjektive Anverwandlung und objektivierende Feststellung.

Aus : Prof. Dr. Hartmut von Hentig, Bildung . (Hanser 1996 S. 118)

Was müssen sie leisten?

  • Texte lesen und Bilder   imaginieren,   ihre Fantasie gebrauchen, Konzepte schreiben,   zielgerichtet diskutieren; vor allem: Mut sich darzustellen, engagiertes und vorbehaltloses TUN! Denn das Produkt Theater ist nicht ablösbar von den Körpern der Produzenten.
  • gemeinsam mit anderen (unter viel zusätzlichem Zeitaufwand!) für sich selbst und das Publikum eine „Theateraufführung“ organisieren, als Erlebnis gestalten und genießen.

Unsere Themen :

11, 1 Das Theater und seine Zeichensysteme

Spielaufgaben und Themen sind einfacher Art; sie haben erforschenden Charakter und dienen der Erfahrung von Körper und Raum, Bühnenpräsenz, Atem und Stimme, dem Kennlernen von Urformen des Spiels in der Geschichte des Theaters.

11,2   Der Text als Partitur

Hier geht   es um die Entfernung vom Autorentext zwecks Entwicklung eines dramaturgisch überzeugenden und ästhetisch stimmig gestalteten Bühnengeschehens.

12,1 Improvisation und Rollenarbeit

Innere und äußere Verhaltensweisen von Figuren werden in szenischen Improvisationen imaginiert und erhandelt.

12,2 Dramaturgie und Inszenierung

Die Arbeit mündet in ein Aufführungsprojekt auf der Basis einer dramatischen Textvorlage: Kenntnis und Analyse der dramatischen Struktur des gewählten Textes dienen ebenso den jeweiligen aufführungspraktischen Bedürfnissen wie die Bestimmung von Einzelmotiven einer Rollenfigur in spezifischen Szenen oder ihrer „Überaufgabe“ im Stück.

13,1 und 2 Spiel und Wirklichkeit

Dramaturgische, schauspieltheoretische und theatergeschichtliche Aspekte bezüglich Schauspielstil, Aufführungsästhetik, Zeichenkorrespondenzen und Regiekonzepten sind Ausgangspunkte für eigenes dramatisches Gestalten.

Die ganze Welt ist Bühne (...)

Sein Leben lang spielt einer manche Rollen, Durch sieben Akte hin.“

(Shakespeare, „Wie es euch gefällt“. II,7)

 

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