Bericht und Fotos beider Projekttage

 

Gleich an zwei aufeinander folgenden Tagen beschäftigten sich zwei Klassenstufen der AES mit dem hochaktuellen Themenfeld "Flucht und Asyl".

 

Der erste Projekttag am Montag, 30.09., legte den Fokus auf jugendliche Flüchtlinge: "Gestrandet - minderjährige Flüchtlinge in Deutschland". Irmela Wiesinger vom Amt für Jugend und Bildung des MTK und ihre Kollegin Erika Krause waren als Gäste anwesend, und sie brachten gleich fünf jugendliche Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern Afrikas und Asiens mit, die seit etwa einem Jahr in Deutschland leben und derzeit in der "Villa Anna" in Eppstein leben.

 

Nach einem in die Thematik einführenden 30-minütigen Film erzählten sie den Neuntklässlern von ihren Erlebnissen während ihrer Flucht und von dem, was sie dann in Deutschland erwartete. Dabei hoben alle hervor, dass sie Deutschland als ein Land schätzten, in dem Menschenrechte und Freiheit tatsächlich Geltung hätten.

Die Schüler/innen staunten angesichts dessen, was sie über abenteuerliche Schleuser- und Schlepperbanden, Fluchten in einem völlig überfüllten Schlauchboot und Willkür von Soldaten und Polizisten erfuhren.

 

Am Ende stand der Wunsch beider Seiten, sich näher kennen zu lernen und auszutauschen, z. B. über die Teilnahme an einem Fußballturnier (zwei Flüchtlinge sind begeisterte Fußballer beim SV 09 Hofheim) oder über einen Besuch der Klasse in der Villa Anna in Eppstein.

 

 

 

Auch der zweite Projekttag am 01. Oktober begann mit einem 45-minütigen Dokumentarfilm, der das traurige Schicksal eines lettischen Asylbewerbers aufzeigte.

Im zweiten Teil der Veranstaltung berichtete der renommierte Rechtsanwalt und Mitbegründer von Pro Asyl, Victor Pfaff, von den rechtlichen Grundlagen des geltenden deutschen und europäischen Asylrechts. Er konstatierte, dass die Rechtssprechung bei Asylverfahren im Wesentlichen auf GG Art.16,2 sowie auf der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 fuße.

Für einige Schüler neu und überraschend war die Information, dass die geltende EU-Verordnung "Dublin II" vorsehe, dass in jedem Fall dasjenige Land, auf das die Flüchtlinge innerhalb der EU erstmalig einen Fuß setzen, auch das Land ist, das den Asylantrag bearbeiten müsse und somit auch das Land, in das Flüchtlinge immer wieder zurück geführt werden, sollte sie ihre Flucht in andere Länder führen. Dies sei insofern sehr problematisch, da die klassischen Erstländer Italien und Griechenland gar keine in unserem Sinne "ordnungsgemäßen" Asylverfahren kennen würden.

Ebenfalls neu war für viele die Information, dass Flüchtlinge in Deutschland nach ihrer Aufnahme in ein Erstaufnahmelager einen Antrag beim Bundesamt für Migration stellen müssen, ehe es Monate später zu der alles entscheidenden Anhörung vor dem Bundesamt komme.

Victor Pfaff berichtete von zahlreichen Missverständnissen, die dabei zustande kommen könnten, wenn sich etwa der Rechtsanwalt zu wenig mit dem Einzelfall befasst habe oder der Dolmetscher z. B. bei einem religiös verfolgten Christen den Begriff der "Dreifaltigkeit" gar nicht kennen würde und mit "Dreieck" übersetzte, was eine Ablehnung des Asylantrags zur Folge haben kann.

 

 

Victor Pfaff, Fachanwalt für Asylrecht, hielt den einleitenden Vortrag

 

 

Trotz allem sprach Pfaff davon, dass sich die Rechts- und Anerkennungslage vieler Flüchtlinge in Europa dank der EU-Verfassung Art. 3 (Recht auf Menschlichkeit) und Art. 8 (Recht auf Familie) zum Positiven verändert habe und das Asylrecht bei Richtern mittlerweile voll als Menschenrecht anerkannt sei. Nichtsdestotrotz gebe es immer wieder die Verpflichtung, sich bei Ungerechtigkeiten für die Durchsetzung der Rechte von Asylbewerber einzusetzen.

 

Im dritten Teil der Veranstaltung standen die konkreten Fälle zweier knapp 20jähriger Flüchtlinge im Zentrum:

Eltaf Rahini stammte aus Afghanistan und musste von dort nahezu durch ganz Westasien und Osteuropa fliehen, wobei er immer wieder inhaftiert wurde oder in Aufnahmelager kam, die Gefängnissen glichen und dabei noch euphemistisch "Welcome Center" tituliert wurden. Sein Weg führte ihn über Pakistan, den Iran, Griechenland, Italien, Mazedonien, Ungarn, Polen, Dänemark, Norwegen, Schweden, wieder Dänemark schließlich nach Deutschland. Hier fand er in Frankfurt, wie er sagte, "nette Menschen beim Jugendamt" und hat derzeit den Status einer "geduldeten Person".

 

 

Achim Lürtzener (Mitte) moderierte das Podiumsgespräch mit Yahye Dualle (links) und Eltaf Rahimi.

 

 

Aus Somalia stammt der 19jährige Yahye Dualle, der, obwohl er im anschließenden Schülergespräch ebenfalls gutes Deutsch sprach, über seine Flucht lieber in englischer Sprache berichten wollte. Er kam schon im Alter von 13 Jahren, nachdem er zum Soldaten und damit zum Töten von Menschen ausgebildet werden sollte, über Kenia, Äthiopien und Russland nach Polen, obwohl sein eigentliches Ziel die Niederlande waren, doch die Schleuser brachten ihn nicht bis dorthin. In Polen fühlte er sich jedoch nicht sehr wohl, er empfand sich als "lost child". Als Musiker auf der Suche nach der europäischen Stadt mit der bekanntesten Hip-Hop-Szene und dem größten multiethnischen Anteil, stieß er auf Frankfurt, und so kam er im Alter von 16 Jahren hierher. Das Jugendamt vermittelte ihm einen dreimonatigen Sprachkurs und den anschließenden Hauptschulbesuch. Stolz berichtete er davon, dass er den Hauptschulabschluss erfolgreich ablegte.

 

 

Yahye Dualle als Hip-Hop-Interpret

 

Schließlich bot Yahye den 180 Schüler/innen noch zwei seiner Hip-Hop-Songs dar, in denen er von seinen Erfahrungen während der Kindheit in Somalia sowie von seinen Fluchterlebnissen sang.

 

Ein besonderer Dank der AES geht an die beiden Hauptvorganisatoren der Planung des Projekttages, die ehemalige Kollegin Irene Krell sowie Achim Lürtzener vom Jugendbildungswerk Schwalbach.

 

Jochen Kilb

 

 

 

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