Diese Antwort hatten die Neuntklässler der AES auf ihre Frage, was die jugendlichen Flüchtlinge denn an Deutschland am meisten schätzen, wohl kaum erwartet. Der 16jährige Amin Kamali aus Afghanistan hatte dies in erstaunlich gutem Deutsch formuliert. Seit etwa zwei Jahren ist er in Deutschland und lernt Deutsch, und wie seine etwa 20 Mitschülerinnen und –schüler aus der BWS Hofheim ist ihm klar, dass der Schlüssel zu seinem Fortkommen in Deutschland in seiner Sprachkompetenz liegt. Dies bestätigt auch Anja Matthias, Klassenlehrerin einer der so genannten „InteA-Klassen“ der BWS, die auch in diesem Jahr wieder ihre Schützlinge ins Bürgerhaus Schwalbach begleitete. Die kurdische Türkin Berfi formuliert es so: „Ich möchte gerne Rechtsanwältin in der Türkei werden, aber dazu ist es wichtig, dass ich hier in Deutschland eine gute Bildung bekomme. Das schaffe ich nur, wenn ich weiter gute Fortschritte in Deutsch mache; aber eure Sprache ist so schwierig.“
Mohammed Amin stellt fest, dass es in Deutschland im Gegensatz zu Afghanistan fast kein Problem mit Korruption gebe und dass hier alle nicht nur vor dem Gesetz, sondern auch in der gelebten Praxis gleich seien.

Ganz verschieden sind die beruflichen Wünsche und Träume, nach denen die fünf auf dem Podium sitzenden Jugendlichen gefragt werden. Der 19jährige Mohammed Amin aus Afghanistan will Elektromechaniker werden, Ahmad Mahmad aus Syrien ist zwar erst 18 Jahre, war aber in seiner Heimat bereits Friseur und möchte den Beruf auch hier ausüben. Den gleichen Berufswunsch gibt auch die 18jährige Kurdin Sospeen an, die eindrücklich beschreibt, wie sie der Krieg in ihrer Heimat zur Flucht zwang.
Was ihre Hobbys seien, will ein Schüler wissen. „Fußball“ antwortet Ahmad Mahmad, und Amin überrascht die AES-Neuntklässler, indem er angibt, bei der Freiwilligen Feuerwehr Eppstein ehrenamtlich tätig zu sein.

Eines sei diesmal anders als im Vorjahr, so Moderator Jochen Kilb am Ende der Podiumsdiskussion: Nur einer der fünf Jugendlichen gab an, er wolle auch dauerhaft in Deutschland bleiben. Die übrigen vier wünschen sich alle, dass der Krieg in ihrer Heimat beendet werden möge und es ihnen möglich werde, wieder in ihre Heimatländer zurück zu kehren.
Torsten Schaaf, der als Mitarbeiter der „Villa Anna“ in Eppstein, einer stationären Jugendhilfeeinrichtung, für viele minderjährige unbegleitete Flüchtlinge im MTK die Vertrauensperson schlechthin ist, bestätigt, dass dieser Wunsch für die Mehrzahl seiner Schützlinge exemplarisch sei. Im Jahr 2016 seien dies Jugendliche aus 15 Nationen im Alter von 14 bis 19 Jahren gewesen, hauptsächlich Jugendliche aus Afghanistan, Syrien und Eritrea.

Umrahmt war die Podiumsdiskussion in diesem Jahr von einem in die Thematik einführenden 60minütigen Dokumentarfilm aus der Schweiz („Neuland“), der intensiv verdeutlichte, welche Schwierigkeiten minderjährige Flüchtlinge dort haben, wenn sie sich in das Schulsystem eingliedern, die fremde Kultur und schwierige Sprache annehmen müssen, um schließlich einen der begehrten Schulabschlüsse oder Ausbildungsplätze zu erlangen.

Direkt nach dem Film stellten mit Leonie, Melanie, Marja und Tim vier deutsche Jugendliche das „Bunte Zuhause“ vor, eine Initiative Bad Sodener Jugendlicher, die das Miteinander zwischen Flüchtlingen und deutschen Jugendlichen fördert. Leonie und Marja waren bis zum letzten Jahr selbst noch Schülerinnen der AES und hatten vor einigen Jahren diesen AES-Projekttag kennen gelernt. Die vier luden die Neuntklässler noch für denselben Abend zu dem alle zwei Wochen montags stattfindenden Treffen nach Bad Soden ein.
Nach der Podiumsdiskussion teilten sich die etwa 20 BWS-Schüler/innen auf die 6 AES-Klassen auf, sodass es noch zu einem etwa halbstündigen Gedanken- und Meinungsaustausch zwischen den Jugendlichen in etwas „intimerem“ Rahmen kommen konnte. Daran beteiligten sich auch Frau Revutska und Herr Aulenbacher von der BWS, Lisa Mücke, die Geflüchtete seitens der Stadtverwaltung Schwalbach betreut und auch die vier Jugendlichen des „Bunten Zuhause“.

Zum pädagogischen Begleitprogramm gehörte in diesem Jahr die Ausstellung „Asyl ist ein Menschenrecht“ von PRO-Asyl, die noch bis zur ersten Woche nach den Ferien in den Zwischenfluren des Altbaus der AES besichtigt werden kann.

Schulleiterin Anke Horn betonte in ihren abschließenden Worten, wie wichtig es der Schulleitung sei, dass die AES-Schüler/innen aktuelle politische Themen wie das der Integration von Flüchtlingen nicht nur theoretisch analysieren, sondern dass die Jugendlichen auch ganz praktisch miteinander ins Gespräch kommen müssten, um eventuell vorhandene Vorurteile oder Ängste abzubauen. Daher wünsche sie sich, dass die BWS-Schüler für diesen schon traditionellen Projekttag auch im nächsten Jahr wieder nach Schwalbach kommen mögen.

Ein großer Dank gilt Achim Lürtzener vom Jugendbildungswerk Schwalbach, der einmal mehr große Teile der Organisation zusammen mit der ehemaligen AES-Kollegin Irene Krell übernommen hatte und dafür gesorgt hatte, dass die Räumlichkeiten und die Technik des Bürgerhauses genutzt werden konnten sowie dass die Ausstellung „Asyl ist ein Menschenrecht“ an die AES geholt werden konnte.

Jochen Kilb
Fachbereichsleiter II

 

Buntes Zuhause

Foto 1: Timo, Leonie, Melanie und Marja (von links) berichten vom „Bunten Zuhause“ Bad Soden

 

Podium
Foto 2: Auf dem Podium diskutierten: Anja Matthias, Sozpeen, Berfin, Jochen Kilb, Torsten Schaaf, Amin Kamali, Ahmad Mahmad und Mohammed Amin

 

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