Im Handumdrehen Professor werden

Printausgabe Hoechster Kreisblatt vom 1.08.2005

Von Tanja Schmidgunst

Schwalbach. «Zunächst einmal möchte ich Ihnen im Namen unseres Unternehmens einen schönen guten Morgen wünschen.» Freundlich eröffnet Max Rouget die Präsentation seiner Firma «Professional Clean Paper Group» (PCP). Vorstellen möchte er mit seinen Kollegen heute eine Innovation im Bereich der Papierhygieneprodukte: das Multituch, das als Putz- oder Erfrischungstuch, als Taschentuch oder zum Lotion Auftragen vielseitig verwendbar ist.

Im Auditorium des Schwalbacher Konsumgüterherstellers Procter & Gamble findet diese Präsentation statt. Auf den drei großen Bildschirmen an der Wand kann das Publikum den Aufbau des Tuchs ablesen, erfahren, in welchen Ländern das Produkt gefertigt wird, und auch das Preismodell liegt bereits vor.

Was so professionell im wirklichen Berufsleben tatsächlich stattfinden könnte, ist jedoch bloße Utopie, denn Max ist gerade mal 16 Jahre alt und wie seine «Arbeitskollegen» ein Schüler der Albert-Einstein-Schule, die mit 20 Teilnehmern für eine Woche bei Procter an der Sulzbacher Straße zu Gast gewesen ist.

Im Rahmen des Projekts «Jugend denkt Zukunft» konnten sich die Schüler der zehnten Klassenstufe hier anhand eines Planspiels mit dem Unternehmen auseinander setzen und den Betrieb kennen lernen. «Wir wollen Jugendliche mit der Wirtschaft in Verbindung bringen und dafür sorgen, dass sie sich mit der Zukunft auseinander setzen und merken, dass Zukunft veränderbar ist», erläutert Gracia Ortiz vom Institut für Organisationskommunikation (IFOK GmbH). Die IFOK GmbH, Initiatorin des Planspiels, veranstaltete «Jugend denkt Zukunft» nach einer Pilotphase im Rhein-Neckar-Kreis nun erstmals auch im Frankfurter Raum.

Wie der bundesweit bekannte Wettbewerb «Jugend forscht» soll sich das Projekt etablieren und Schüler aller Schulformen mit Unternehmen zusammen bringen. «Und was die Albert-Einstein-Schüler erarbeitet haben, kann sich wirklich sehen lassen», lobt Ortiz, die die Gruppe die Woche über begleitet hat. Die Themen Innovationen, demographischer Wandel und die Entwicklung der Gesellschaft standen auf dem Projekt-Programm. An einem Tag machten die Schüler eine Betriebsführung mit und durften eigene praktische Versuche in den Labors durchführen. «Wir haben das mit ausgewählten Schülern aus sechs Klassen gemacht», erläutert Lehrer Michael Herrmann die Gruppenkonstellation, die sich aus einer Arbeitsgemeinschaft von besonders leistungsstarken Schülern ergab.

Zum Thema «Hygienepapier im Jahr 2020» schließlich entwickelten die Schüler selbst Produkte, erfanden fiktive Unternehmen und planten bis zur Werbestrategie den Verkauf der utopischen Produkte der Zukunft. Multituch und zwei weiter entwickelte Windelprodukte stellten sie am Freitag den Mitarbeitern, Eltern und einigen Lehrern vor. Zu Wort kamen dabei nicht nur drei fiktive Unternehmen, sondern auch das Trendinstitut Faktor X, das für die jeweiligen Produkte gleich noch eine originelle Werbung konzipiert hatte. «Da ist für mich kein Unterschied zwischen einer Schülerpräsentation oder dem Berufsleben zu erkennen», zeigte sich Marketing-Experte Rüdiger Gottschalk von den Ideen sichtlich beeindruckt. Er habe schon schlechtere Präsentationen von seinen Mitarbeitern erlebt, gibt er offen zu.

Doch auch negative Stimmen zu den Produktideen kamen zu Wort. Aus Sicht der erfundenen Bürgerinitiative «Bürgeralarm» nämlich wurden diverse Pro- und Kontra-Argumente vorgetragen. Zu guter Letzt war es die Presse, die das Thema in einer Sondersendung mit dem Titel «Klartext» aufnahm und diskutierte. «Uns hat das alles sehr gut gefallen, es war mal was anderes als Schule, und wir durften sehr viel selber ausprobieren», so die 16-jährige Lena Gratz, die die Sendung moderierte.

Humorvolle Mitarbeiter, eine persönliche Arbeitsatmosphäre und eine gute Kantine – das waren die Punkte, die die Schüler am Ende der Besuchswoche am meisten zu loben hatten. Vor allem ernst habe man ihre Ideen genommen und die fiktiven Produkte auch ganz fachmännisch kritisiert, berichtet Johannes Kauselmann, der zu Beginn des Planspiels weder viel über die Firma noch über den aktuellen Windelpreis wusste.

Als Ingenieur, Physiker oder im Marketingbereich später selbst einmal in einem solchen Unternehmen zu arbeiten, das können sich einige tatsächlich vorstellen. «Das ist ein so riesiges Unternehmen, da muss einfach was dabei sein», denkt sich auch der 15-jährige Stasys Hiob. Dass aus diesen Schülern mal nichts werden könnte, das kann sich Rüdiger Gottschalk nach der Präsentation eigentlich kaum vorstellen. Und dass die Schüler, von denen einige nach den Sommerfreien die elfte Klasse auf eigenen Wunsch hin überspringen werden, Großes vorhaben, das wirft bereits seine Schatten voraus. Matthias (15) zum Beispiel verlieh sich im Rahmen des Planspiels mal eben einen Professorentitel: «Als Forscher klingt das Professor Matthias Hussong einfach besser.»